Das Gelände um Seidel war wellig und wies einige Erhebungen auf. Vom Citronenberg sah man bei klarer Sicht bis auf die Ostsee. Die Wegverhältnisse waren durch Hohlwege und sandige Steigungen gekennzeichnet. Bezeichnend war auch das Pflaster: Sammelsteine oder sogenannte Katzenköpfe. Das Dorf selbst war von Wald eingeschlossen, der sich in Richtung Manow öffnete.

An dem leichten Boden hatten die Bauern nicht viel Freude, sie besaßen nur wenig gutes Land. Ertragreicher und reichlich vorhanden waren dagegen die Wiesen, meist Moorwiesen. Angebaut wurden überwiegend Kartoffeln, Roggen und Hafer, zusätzlich für das Rindvieh Wruken und zum Teil auch Futterrüben, Altbäuerlicher Wald und — zur Torfgewinnung — Moorflächen boten sich zur Genüge. Ausgesprochen gut waren die Wasserverhältnisse, da der Mühlenbach mit seinem klaren Wasser ganz dicht am Dorf vorbeifloss.

Ursprünglich waren Gut und Gemeinde eine Einheit. Bei der Separation erhielt die Gemeinde zwölf Bauernhöfe. Zwei Bauernhöfe und die Wassermühle wurden später von der Fürstlich-Hohenzollernschen Verwaltung Sigmaringen zugekauft, In den neunziger Jahren des vorigen Jahrhunderts wanderten viele Bauern wegen der schlechten wirtschaftlichen Lage nach Amerika aus. Ihr Besitz zerfiel, weil sie ihr Land Parzellenweise verkauften. Durch Zuzug neuer Siedler entstanden die relativ zahlreichen kleinen Wirtschaften mit nur fünf bis zehn Morgen Land.

Bis zur Jahrhundertwende wurde das Gesicht des Dorfes durch die strohgedeckten Fachwerkhäuser bestimmt. Um 1900 wurden die meisten Gebäude massiv untermauert und mit harter Bedachung versehen. Teilweise wurden sie auch ganz abgebrochen und durch moderne Neubauten ersetzt Im Jahre 1900 baute der Gastwirt einen schönen, modernen Saal. 1906 erhielt Seidel seine Molkerei, Es entstanden eine Bäckerei mit Mehlhandlung, ein Materialwarengeschäft, ein Gemischtwarengeschäft und eine Fleischerei und am Bahnhof ein zweiter Saal mit Gastwirtschaft. Die Einwohnerzahl wuchs, Handwerker und Geschäftsleute kamen. Bald gab es in Seidel drei Bauunternehmer, zwei Zimmereibetriebe, drei Tischlereien, zwei Stellmacher, zwei Schmiedemeister, zwei Schuster, zwei Schneider, zwei Fleischereien, einen Bäcker, einen Friseur, einen Sattler und einen Köhler. Außerdem existierte noch eine Holzhandlung,

Gute Erträge brachte die Viehwirtschaft, besonders die Rindviehhaltung. Daneben wurde eine rege Schweinezucht betrieben, wobei das Schwergewicht auf Zuchtsauen lag. Im Sommer wurden die Schweine in der Hauptsache mit Disteln ernährt, die ein ausgezeichnetes und nahrhaftes Grünfutter darstellten. Die Viehhaltung ermöglichte wiederum eine gute Düngung des Bodens, so dass die Ernteerträge trotz des leichten Bodens zufriedenstellend waren.

Das Gut wurde schließlich ganz aufgeteilt. Das Dorf erhielt ein anderes Gesicht, Die Brennerei wurde in eine Genossenschaftsmolkerei umgewandelt. Alle Gutarbeiter erhielten eine Siedlung. Mit staatlichen Zuschüssen wurden nach dem Ersten Weltkrieg mehr als zehn Arbeitersiedlungen gebaut. Auch Privathäuser wurden errichtet. Die Größe der Wirtschaften der Einwohner war im Schnitt auf rund 60 Morgen angewachsen. Weitere Verdienstmöglichkeiten bot der umliegende Wald. Die Pferde­besitzer fuhren das Holz in die Koslinerr Schneidebetriebe oder an. die Radue, auf der das Holz von Flößern nach Kolberg geflößt wurde. Die Frauen und Kinder wiederum sammelten im Sommer Pilze und Blaubeeren. Die schon genannte Holzhandlung kaufte die „Waldernte" auf und verkaufte sie nach Berlin und Hamburg weiter. Die Hamburger exportierten die Blaubeeren nach England.

In den zwanziger Jahren wurde die Kirche renoviert und der Chor ausgebaut Inzwischen war die alte Schule: zu klein geworden, sie wurde umgebaut in eine geräumige Schule mit zwei Lehrerwohnungen. Pas kulturelle Leben im Dorf war rege. Dafür sorgten ein Verein für Gemütlichkeit, ein Kriegerverein, ein Fußball-Klub, ein Turnverein, ein Imker- und ein Gesangverein, Letzterer stellte einen gemischten Chor, der auch die Gottesdienste verschönte. Die Lehrlinge im Dorf stellten die Dorfkapelle.

Quelle: "Köslin", Franz Schwenkler, erschienen1966